UNESCO-Welterbe Zollverein Essen
Das Wahrzeichen des Ruhrgebiets
Sie galt als modernste Bergwerksanlage ihrer Zeit und ist für viele nach wie vor die schönste Zeche der Welt: Zollverein in Essen ist in vielerlei Hinsicht eine "Zeche der Superlative". Das einzige UNESCO-Welterbe der Metropole Ruhr begeistert alljährlich Millionen Besucher aus aller Welt; an seiner beeindruckenden Geschichte lässt sich die industrielle Entwicklung der ganzen Region festmachen. Als Wahrzeichen des alten wie des neuen Ruhrgebiets ist Zollverein das wahrscheinlich eindringlichste Sinnbild für den Strukturwandel einer gewachsenen Bergbauregion hin zu einer modernen Metropole Ruhr und einem der größten Ballungsräume Europas.
Weiterführende Informationen
Das UNESCO-Welterbe Zollverein ist nicht nur ein Ankerpunkt der Route Industriekultur, sondern zugleich auch Ankerpunkt der Europäischen Route der Industriekultur (ERIH). In das europäische System aufgenommen werden authentische Orte "mit Symbolwert und (bestenfalls überregionaler) Bedeutung für die industrielle Geschichte Europas".
ERIH: UNESCO-Welterbe Zollverein
Hocheffizient und enorm produktiv
Mit 14 Grubenfeldern nahm eine der erfolgreichsten Geschichten der Montanindustrie ihren Anfang: 1847 hatte sich der Duisburger Industrielle Fanz Haniel die Felder im Essener Norden gesichert; vier Jahre später ging von Zollverein die erste Kohle über das kurze Anschlussgleis zur Köln-Mindener-Eisenbahnlinie. Die Gründerschachtanlage 1/2/8 galt als revolutionär für ihre Zeit - konnte jedoch ebenso wie die anderen drei Anlagen im harten wirtschaftlichen Wettbewerb der 1920er-Jahre nicht mehr mithalten. Mit Zollverein Schacht XII wurde deshalb ein vollkommen neues Betriebskonzept umgesetzt. 1932 lief die Produktion an; mit rund 12.000 Tonnen Steinkohle am Tag wurde dort bald mehr Kohle gefördert als auf jeder anderen Zeche des Ruhrgebiets. Nach 135 Jahren jedoch war Schicht im Schacht: Als letzte Essener Zeche stellte Zollverein am 23. Dezember 1986 den Betrieb ein.
Ein Juwel der Bergbauarchitektur
Als der wohl bekannteste Ankerpunkt der Route Industriekultur überzeugt das UNESCO-Welterbe Zollverein vor allem durch seine Architektur, die im Stil der Neuen Sachlichkeit hocheffizient dem Weg der Kohle folgt. Verantwortlich für den Bau der Zentralschachtanlage XII, insgesamt 20 Gebäude, die zwischen 1928 und 1932 errichtet wurden, zeichnen die Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer, die auch mit der Planung der Kokerei (1957-1961) beauftragt wurden. Letztere galt in den 1970er-Jahren als modernste Anlage Europas und wurde zu einer der weltweit größten Kokereien ausgebaut.
Zum UNESCO-Welterbe gehören seit 2001 die Zentralschachtanlage XII mit dem Doppelbock-Fördergerüst, die Gründerschachtanlage 1/2/8 sowie die Kokerei. Erhalten geblieben, aber "titellos" sind die Schächte 3/7/10 und 4/5/11.
Kultur vor Industriekulisse
Wo einst geschuftet wurde, wo Produktionsmargen und Effizienz zählten, machen sich mittlerweile rund 1,5 Millionen Besucher jährlich auf zu einer montangeschichtlichen Entdeckungsreise. Zollverein ist Standort gleich mehrerer Museen, macht in zwei Denkmalpfaden die historischen Kernbereiche der Anlage erlebbar, bietet spannende Führungen mit ehemaligen Bergleuten oder Kokern und setzt im Portal der Industriekultur die industriekulturellen Schauplätze Europas sowie die Ankerpunkte der Route Industriekultur multimedial in Szene. Zollverein ist heute ein Ort für Kultur, Kunst, Lehre und Design, einer der zentralen Spielorte der ExtraSchicht und der Ruhrtriennale und gilt mit seinem Doppelbock-Fördergerüst als Wahrzeichen der Kulturhauptstadt RUHR.2010. Zugleich findet das Thema Industrienatur auf vielfältige Art und Weise Beachtung.
Tipps für Ihren Besuch
UNESCO-Welterbe Zollverein Essen
Areal A [Schacht XII] - Kohlenwäsche, Schacht XII [A14]
info@zollverein.de
+49 (201) 246810
Gelsenkirchener Straße 181, 45309 Essen
Begründung des UNESCO-Welterbekomitees
Bemerkenswertes Denkmal
Zeche und Kokerei Zollverein wurden am 14. Dezember 2001 als „Industriekomplex Zeche Zollverein“ in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. In der Begründung des Welterbekomitees heißt es unter anderem: „Der Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen ist ein außergewöhnliches Industriedenkmal, da seine Bauten herausragende Beispiele für die Anwendung der Entwurfskonzepte der Moderne in der Architektur in einem rein industriellen Kontext sind."
Darüber hinaus lobte die Expertenjury: "Die technologischen und anderen Strukturen von Zollverein XII sind repräsentativ für eine entscheidende Phase der Entwicklung traditioneller Schwerindustrien in Europa, die durch die parallele Entwicklung und Anwendung von architektonischen Entwürfen moderner Bewegung von herausragender Qualität verstärkt wurde“.
Kokerei und Gründerschacht 1/2/8
Gründerschachtanlage 1/2/8
Übertagebauten aus den Gründungsjahren sucht man auf Zollverein vergeblich. Was von der Schachtanlage 1/2/8 erhalten ist - Backsteinarchitektur im Rundbogenstil und Stahlfachwerkhallen im Stil der Neuen Sachlichkeit - entstand zumeist in zwei Umbauphasen, einmal um die Jahrhundertwende sowie zwischen 1956 und 1964. Heute sind auf 1/2/8 etwa PACT Zollverein, der Kunstschacht Zollverein und die Keramische Werkstatt Margaretenhöhe beheimatet. 2019 entstand auf dem Gelände der Denkmalpfad 1/2/8; im ehemaligen Wagenumlauf vermittelt eine Mitmachzeche anschaulich, wie hart und schwer die Arbeit auf der Zeche war. An 13 Stationen können Besucher selbst anpacken: Mit Grubenjacke und Helm ausgestattet steigen sie in den Förderkorb – genau an der Stelle, an der vor über 170 Jahren die Abteufarbeiten für Schacht 1 begannen.
Mitmachzeche auf Zollverein
Kunstschacht Zollverein
KERAMISCHE WERKSTATT MARGARETENHÖHE
Kokerei Zollverein
Zehn Koksofenbatterien und 304 Öfen auf der "Schwarzen Seite": Auch die Kokerei trägt die Handschrift Schupps und Kremmers, die Öfen, Rohrleitungen, Lager und Gebäude zwischen 1957 und 1961 streng mit der Maßgabe größtmöglicher Effizienz errichten ließen. Täglich wurden hier rund 11.000 Tonnen Kohle zu Koks veredelt. In Spitzenzeiten arbeiteten etwa 1.000 Menschen rund um die Uhr und wurden auf der "Weißen Seite" rund vier Millionen Kubikmeter Kokereigas weiterverarbeitet. Am 30. Juni 1993 stellte die Kokerei die Produktion ein. Heute taucht die Lichtinstallation "Monochromatic Red and Blue" von Jonathan Speirs und Mark Major das Gelände allabendlich in rotes und blaues Licht. Regelmäßig finden auch hier Besucherführungen statt. Darüber hinaus birgt die Anlage zwei der ungewöhnlichsten Freizeitformate der Metropole Ruhr: die Zollverein-Eisbahn und das Werksschwimmbad.
Das Zeitalter der Kohle
2018 wurde in den imposanten Hallen der Mischanlage der Kokerei die mehrfach ausgezeichnete Gemeinschaftsausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ von Ruhr Museum und Deutschem Bergbau-Museum Bochum gezeigt. Dank Unterstützung durch die RAG-Stiftung ist die Ausstellung online nach wie vor erlebbar.
Schachtanlagen 3/7/10, 4/5/11 und 6/9
Schachtanlagen 3/7/10, 4/5/11 und 6/9
Zollverein 3/7/10
Als sich der Abbau immer weiter von der Gründerschachtanlage entfernte, nahmen auch die Probleme zu: längere Arbeitswege unter Tage, längere Förderwege, eine schlechtere Versorgung mit frischer Luft. Die Lösung: ein neuer Schacht im östlichen Grubenfeld in Schonnebeck. Hier begannen die Abteufarbeiten 1880; schnell war die Anlage profitabler als 1/2/8. Funktionale Bauten entlang der Köln-Mindener Eisenbahn prägen diesen Teil Zollvereins. Das Fördergerüst über Schacht 10 ist noch erhalten und kann gegen eine Gebühr bestiegen werden; das Fördermaschinenhaus dient als Eventlocation und Standort des Phänomania Erfahrungsfeldes, einem interaktiven Kindermuseum.
Zollverein 4/5/11
Die Arbeiten auf der Schachtanlage in Katernberg begannen 1891; zu Hochzeiten beschäftigte das dritte Zollverein-Bergwerk 2.900 Arbeiter. Lange Zeit waren die steil gelagerten Flöze wirtschaftlich rentabel. Doch als Maschinen den Bergarbeiter vor Kohle ersetzten, änderte sich die Sachlage: Alle Versuche, Kohle maschinell abzubauen, schlugen fehl. 1967 war Schicht auf 4/5/11. Als das Zechensterben den Norden mit Arbeitslosigkeit und leeren Bergwerksgebäuden "überspülte", gebar der Essener Konsens, ein Zusammenschluss aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, die Idee des Gründerzentrums "ZukunftsZentrumZollverein", kurz: Triple Z. Heute sind die Zechengebäude gefragte Firmen- und Bürostandorte.
Zollverein 6/9
An die kurz vor der Jahrhundertwende entstandene Zollverein-Schachtanlage zwischen der Straße Im Natt, der Gelsenkirchener Straße und der Hallostraße erinnern heute nur noch eine Mauer und eine kopfsteingepflasterte Zuwegung. Mit Schacht 6, der zwischen 1895 und 1897 abgeteuft wurde, sollte der südliche Teil des Grubenfeldes erschlossen werden. Gut drei Jahrzehnte arbeitete Zollverein 6/9 als selbstständige Zeche, dann wurde die Förderung der hier abgebauten Kohle zunächst von Schacht 1/2 und ab 1932 dann vom neuen Zentralschacht XII übernommen. Als 1979 der Abbau im Südfeld Zollvereins eingestellt wurde, ließ man Fördergerüst, Waschkauen und Verwaltungsgebäude komplett abreißen.
Industrienatur: Zollverein Park
Industrienatur: Zollverein Park
Neue Naturräume
Postindustrielle Spontanvegetation lautet der Fachbegriff, der letztlich vor allem ein besonderes Phänomen des Strukturwandels in der Metropole Ruhr beschreibt: An vielen Stellen, auf ehemaligen Werks- und Zechengeländen, Industriebrachen und Abraumhalden hat sich die Natur das Feld zurückerobert. Typische Vertreter in diesen "neuen" Naturräumen sind etwa Birken und Sommerflieder, zugleich haben aber auch seltene oder bedrohte Tier- und Pflanzenarten, bisweilen sogar Exoten, die durch den Güterverkehr ins Ruhrgebiet kamen, auf den einstmals industriell genutzten Flächen eine Heimat gefunden.
Rund um Zeche und Kokerei beeindruckt der Zollverein Park mit genau dieser Mischung. Wege, Bänke und Brücken und die die dreieinhalb Kilometer lange Ringpromenade machen die "wilde Natur" dabei problemlos erlebbar und ergänzen das kulturelle Angebot des Welterbes um zahlreiche Freizeit- und auch Sportaspekte. Insbesondere per Rad lässt sich das Welterbe dabei ganz entspannt erkunden.
Menschen und Macher: Franz Haniel, Fritz Schupp, Martin Kremmer
Menschen und Macher: Franz Haniel, Fritz Schupp, Martin Kremmer
Franz Haniel
Franz Haniel wurde 1779 in eine Duisburger Kolonialwarenhändler-Familie hineingeboren. Der junge Haniel erwies sich schnell als geschäftlicher Stratege, der wirtschaftliche Chancen erkannte und zu nutzen wusste, beispielsweise die gezielte Investition in Eisenhütten, darunter etwa in St. Antony in Oberhausen. 1808 gründeten Haniel, Gottlob Jacobi und Heinrich Huyssen eine gemeinsame Hüttengewerkschaft, den Vorläufer der Gutehoffnungshütte AG. Bei Haniels Tod im Jahre 1868 hatte sich die Familie geschäftlich fest in den Bereichen Bergbau, Handel und Schifffahrt etabliert und mit dem Aufbau Zollvereins in Essen die Grundlage für die alsbald modernste Bergwerksanlage ihrer Zeit gelegt.
Fritz Schupp
Sein Name fällt in der Regel im Zusammenhang mit dem UNESCO-Welterbe in Essen. Und er fällt meist gemeinsam mit dem Namen Martin Kremmer, mit dem er von 1922 bis 1945 ein Unternehmen in Berlin und Essen führte. Fritz Schupp (1896-1974) zählt zu den renommiertesten deutschen Architekten von Montananlagen des 20. Jahrhunderts. Nach seinen Plänen entstanden neben Zollverein auch Nordstern in Gelsenkirchen und Ewald 1/2/7 in Herten. Zudem prägten seine Entwürfe den Neubau des Deutschen Bergbau-Museums Bochum - für das von Beginn an ein Anschauungsbergwerk vorgesehen war - sowie Siedlungen für Beschäftigte im Bergbau und in der Stahlindustrie. 2002 übernahm das Bergbau-Museum Bochum über 300 Mappen mit 17.570 Einzelplänen von Schupp und Kremmer zur Auswertung.
Martin Kremmer
Martin Kremmer wurde 1894 im polnischen Posen (Poznan) geboren und starb im Mai 1945 bei einem Luftangriff auf Berlin. Ebenso wie Fritz Schupp studierte er an den Hochschulen für Architektur in Karlsruhe, Stuttgart und München und galt später als ein wichtiger Vertreter des so genannten Neuen Bauens. Kremmer zeichnete - in Architektensozietät mit Schupp - für Planung und Bau wichtiger Bergwerksanlagen des 20. Jahrhunderts verantwortlich. Insbesondere in den gemeinsamen Plänen für Zollverein wurde der übergeordnete Anspruch, die Form der Funktion folgen zu lassen, deutlich.