Gasometer Oberhausen
Industriedenkmal und Ausstellungsort
Industriedenkmal, beeindruckender Ausstellungsort oder einfach lieb gewonnene "Kulturtonne": Der Gasometer Oberhausen, 1929 als Gasspeicher der umliegenden Hüttenwerke der Gutehoffnungshütte (GHH) in Betrieb genommen, ist heute ein herausragendes Wahrzeichen der Metropole Ruhr. Und das im wahren Wortsinn: Europas größter Scheibengasbehälter erinnert mit einer Höhe von 117 Metern eindrucksvoll an die Schwerindustrie, die mehr als ein Jahrhundert lang das Ruhrgebiet geprägt hat, und hat sich - dank außergewöhnlicher Ausstellungen und Kunstaktionen - zugleich als Kulturort weit über die Region hinaus einen Namen gemacht.
ERIH-Standort
Der Gasometer Oberhausen ist nicht nur ein Ankerpunkt der Route Industriekultur, sondern zugleich auch Ankerpunkt der Europäischen Route der Industriekultur (ERIH). In das europäische System aufgenommen werden authentische Orte "mit Symbolwert und (bestenfalls überregionaler) Bedeutung für die industrielle Geschichte Europas".
Erfolgsmodell Gasspeicherung
1758 nahm die St. Antony-Hütte in Osterfeld als erste Eisenhütte der Region die Produktion auf. Es folgten: Neu-Essen in Lirich (1781) und Gute Hoffnung in Sterkrade (1782). Alle drei gingen in der 1808 gegründeten Hüttengewerkschaft Jacobi, Haniel & Huyssen auf, der späteren Oberhausener Gutehoffnungshütte (GHH). Diese schloss Ende der 1920er-Jahre eine große Lücke im Produktionsablauf des Konzerns - und gab unmittelbar am Rhein-Herne-Kanal den Bau eines 117,5 Meter hohen Gasometers zur Speicherung von Gicht- bzw. Koksgas in Auftrag. Die Baukosten für den mit einem Nutzvolumen von 347.000 Kubikmetern noch heute größten Gasspeicher Europas - immerhin mehr als anderthalb Millionen Reichsmark - sollten sich rechnen: Überschüssiges Gichtgas der GHH-Hochöfen wurde ab 1929 im Gasometer gespeichert und zur Befeuerung der ebenfalls zur GHH gehörenden Kokerei Osterfeld genutzt. Deren wertvolles Koksofengas wiederum ging gewinnbringend direkt an die kohlechemische Industrie.
Erst Schwerindustrie, dann Wandel
Kriegsschäden und ein schwerer Brand im Jahr 1946 machten die Silllegung des Gasometers notwendig. Erst 1949 ging der blecherne Riese wieder in Betrieb, dann im Auftrag der Hüttenwerke Oberhausen AG. 1963 produzierten noch sieben Hochöfen und drei Stahlwerke. 16 Jahre später, 1979, wurde in Oberhausen der letzte Hochofen ausgeblasen, auch die weiterverarbeitenden Anlagen wurden stillgelegt. Dem Gasometer blieben noch gut zehn Jahre als Speicher für Koksgas der Kokerei Osterfeld. Als dort 1988 die letzte Schicht gefahren wurde, kam auch für den Gasspeicher das Betriebsende: zeitweise drohte ihm sogar der Abriss.
Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park wurde der Gasometer Anfang der 1990er-Jahre zur Ausstellungshalle umgebaut. Als spektakuläres Wahrzeichen der Stadt und Ausstellungsort von überregionalem Renommee ist er heute gleichermaßen Symbol für die Schwerindustrie wie für den Strukturwandel des Reviers.
Platz für gefeierte Ausstellungen
Der Umbau des Gasometers war ebenso aufwändig wie spektakulär: Die Gasdruckscheibe wurde in 4,20 Meter Höhe fixiert, so dass sich seitdem darüber wie darunter ein jeweils mehr als 3.000 Quadratmeter großer Ausstellungsraum eröffnet; zudem bietet eine 100 Meter hohe Halle Platz für beeindruckende Installationen. Die Gasdruckscheibe selbst wurde mit einer erhöhten Bühne sowie einer Zuschauertribüne ausgestattet. Ein gläserner Panoramaaufzug sorgt für einen einzigartigen Blick in die Halle; per Außenaufzug oder über 592 Treppenstufen ist auch das Dach das Gasspeichers erreichbar - Panoramablick inklusive. 1994/1995 gab der Gasometer mit der Ausstellung "Feuer und Flamme - 200 Jahre Geschichte im Ruhrgebiet" sein Debüt als Kulturort und verzeichnet seitdem mit gefeierten Ausstellungen und spektakulären Modellen des Mondes, der Erde oder des Matterhorns Zuschauerrekorde. Zudem nutzte der Verhüllungskünstler Christo den gigantischen Industriebau für seine Aktionen "The Wall" und "Big Air Package".
Der Gasometer Oberhausen ist Standort folgender Themenrouten:
Tipps für Ihren Besuch
Menschen und Macher: Franz Haniel, Aletta Noot, Gottlob Jacobi
Menschen und Macher: Franz Haniel, Aletta Noot, Gottlob Jacobi
Franz Haniel
Franz Haniel wurde 1779 in eine Duisburger Kolonialwarenhändler-Familie hineingeboren. Der junge Haniel erwies sich schnell als geschäftlicher Stratege, der wirtschaftliche Chancen erkannte und zu nutzen wusste, beispielsweise die gezielte Investition in Eisenhütten, darunter etwa in St. Antony in Oberhausen. 1808 gründeten Haniel, Gottlob Jacobi und Heinrich Huyssen - beide Schwager Haniels - eine gemeinsame Hüttengewerkschaft, den Vorläufer der Gutehoffnungshütte AG. Bei Haniels Tod im Jahre 1868 hatte sich die Familie geschäftlich fest in den Bereichen Bergbau, Handel und Schifffahrt etabliert und mit dem Aufbau Zollvereins in Essen die Grundlage für die alsbald modernste Bergwerksanlage ihrer Zeit begründet. Unter Haniels Führung war es 1834 erstmals gelungen, die so genannte Mergeldecke, das Deckgebirge der Steinkohle, zu durchdringen - eine Revolution im Steinkohlenbergbau.
Aletta Noot
Wahrgenommen wird Aletta Haniel, geborene Noot (1742-1815), vor allem als Mutter Franz Haniels. Tatsächlich jedoch war sie eine "unabhängige Unternehmerin und Industriepionierin“, die nach dem Tod ihres Mannes Jacob Wilhelm Haniel 1782 für mehr als zwei Jahrzehnte die Geschicke des expandierenden Familienunternehmens lenkte. Gemeinsam mit Maria Kunigunde von Sachsen, der Fürstäbtissin von Essen, und Helene Amalie Krupp bildete sie Ende des 18. Jahrhunderts ein Netzwerk aus "Unternehmenspionierinnen", die das große wirtschaftliche Potenzial der Eisenverhüttung in der Region erkannten und entsprechend investierten. Aletta Haniel setzte sich zudem gegen den enormen Widerstand etablierter Händler im Steinkohlenhandel durch - und erkannte frühzeitig auch die überregionalen Chancen des Marktes. Erst vier Jahre vor ihrem Tod zog sie sich vollständig aus den Unternehmensgeschäften zurück, nachdem sie bereits 1802 ihre Söhne Gerhard und Franz zu Teilhabern gemacht hatte.
Gottlob Jacobi
Es war die Fürstäbtissin von Essen, Maria Kunigunde von Sachsen, die Gottlob Jacobi (1770-1823) aus dem fernen Winningen an der Mosel als Verwalter für die von ihr gegründete Eisenhütte Neu-Essen an die Emscher holte. Jacobi brachte nicht nur die notwendige Erfahrung mit, sondern auch die notwendigen Beziehungen: Sein Vater führte im Auftrag des Trierer Kurfürsten und Erzbischofs Clemens Wenzeslaus von Sachsen die Sayner Hütte. Diese Kombination aus geschäftlichem Können und vorteilhaften Familienbeziehungen sollte auch sein zukünftiges Leben bestimmen: Im Jahr 1800 heiratete er Sophia Haniel und konnte - mittlerweile neben der Fürstäbtissin Anteilseigner an den Hütten Neu-Essen und St. Antony - zwei Jahre später seine Schwager Gerhard und Franz Haniel als Geschäftspartner gewinnen. Mit dem Kauf der Eisenhütte Gute Hoffnung von Helene Amalie Krupp durch Heinrich Huyssen wurde der Grundstock für die Hüttengewerkschaft Jacobi, Haniel & Huyssen gelegt.