LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall Witten

Die Wiege des Ruhrbergbaus

An keinem anderen Ort im Revier lässt sich der Übergang vom handwerklichen zum industriell geprägten Bergbau so eindrucksvoll nacherleben wie auf der Zeche Nachtigall in Witten und im umliegenden Muttental. Die historischen Gebäude haben eine bewegte Geschichte hinter sich: Nachtigall war nicht nur Zeche, sondern auch Ziegelei, Sandsteinbruch und Schrottplatz. Ein Gelände, dem der endgültige Verfall drohte - und das als LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall heute nicht nur die eigene Vergangenheit, sondern auch die Pionierzeit der Montanindustrie in der Region aufarbeitet. Für Besucher geht es hier unter anderem direkt in einen echten Steinkohlenflöz.

GeoPark Ruhrgebiet

Der GeoPark Ruhrgebiet hat auf Nachtigall, einem von insgesamt acht Standorten des Westfälischen Landesmuseums für Industriekultur / LWL-Industriemuseums, ein eigenes Informationszentrum eingerichtet, in dem anschaulich die Zusammenhänge zwischen Erdgeschichte, Rohstoffen und industrieller Nutzung vermittelt werden. Themen sind unter anderen das "Nationale Geotop Muttental" sowie das "Rohstoffland Ruhrgebiet".

GeoPark Ruhrgebiet

Die Zeche Nachtigall in Witten.
Die Zeche Nachtigall in Witten. © RIK/Staudinger

Von der Klein- zur Großzeche

Die Anfänge des Ruhrbergbaus liegen im Süden des Ruhrgebiets: In Witten findet sich die Steinkohle im Gebiet des Hettberges nur wenige Meter unter der Erde. Bauern waren die ersten, die dort für den Eigenbedarf nach Kohle gruben. Der erste Antrag auf Kohlenförderung ist für das Jahr 1714 überliefert. Zum Geschäft wurde der Handel mit dem schwarzen Gold ab 1743: Damals erwarb Freiherr Friedrich von Elverfeldt sämtliche Anteile für das Gebiet des "Hettberger Holtzes". Abgebaut wurde die Steinkohle zunächst über Stollen, die in den Berg getrieben wurden; erst 1832 wurde auf Nachtigall der erste Tiefbauschacht abgeteuft. Dank des Zusammenschlusses mit weiteren Kleinzechen in der Region war Nachtigall bereits 1844 die größte Zeche im Ruhrgebiet; zwischen 1850 und 1860 arbeiteten auf der mittlerweile an holländische Investoren verkauften Zeche 300 bis 500 Menschen in Tiefen bis zu 450 Metern.

Zeugnis der Industrialisierung

Gut vier Jahrzehnte später jedoch die Zeche mit den Möglichkeiten moderner Großschachtanlagen nicht mehr mithalten. Starke Wasserzuflüsse, die von Beginn an ein Problem waren, sorgten zusehends für Betriebsausfälle; auch war die Wittener Kohle nicht zur Verkokung geeignet. 1892 wurde die Förderung eingestellt. Es folgten: die Nachfolgenutzung als Ziegelei ab 1897 - und nach diversen "Zwischenstationen" der Verfall der Anlage.

Wie kein anderer Ankerpunkt der Route vermitteln die Zeche Nachtigall und das Muttental die unterschiedlichen Entwicklungsphasen der regionalen Bergbaugeschichte und Industrialisierung: Was mit dem Graben einfacher Löcher, den Pingen, begann, arbeitete sich über den Stollenbau bis zum Abteufen eines der ersten Tiefbauschächte im Ruhrgebiet vor. All das lässt sich heute noch vor Ort erleben.

Die Zeche Nachtigall in Witten.
Die Zeche Nachtigall in Witten. © RIK/Kreklau

Umfangreicher Umbau zum Museum

Als der Landschaftsverband Westfalen-Lippe die Zeche Nachtigall 1983 in das Westfälische Industriemuseum (heute LWL-Industriemuseum) übernahm, waren nur noch das Maschinenhaus mit einer Dampffördermaschine, ein Betriebsgebäude und der Kesselhausschornstein erhalten. Die Zechenwohnhäuser wurden bereits 1966 abgerissen. Bis 2003 sollten Sanierung, Restaurierung und Konzeptionierung dauern. Besucherbergwerk, regelmäßige Vorführungen der historischen Dampffördermaschine, eine umfangreiche Dauer- und spannende Sonderausstellungen sowie Führungen und Veranstaltungen machen das LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall heute zu einem spannenden Lehrort und einem beliebten Ausflugsziel.

Tipps für Ihren Besuch

Führung durchs Besucherbergwerk der Zeche Nachtigall.

Schaubergwerk

Als einzige Zeche im Ruhrgebiet bietet Nachtigall Gästen die Chance, einen Kohlenflöz hautnah zu erkunden: Der Nachtigallstollen führt gut 130 Meter tief in den Hettberg hinein und vermittelt anschaulich, wie in der Kleinzeche einst gearbeitet wurde. Ausgerüstet mit Helm und Grubenlampe erfahren Besucher hier, was Abbaustreb und Strecke sind.

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Schacht Herkules auf der Zeche Nachtigall in Witten.

Weg in die Tiefe

Es war der wichtigste Schritt im Zuge der Industrialisierung: der Übergang vom Stollen- zum Tiefbau. Bergbaugeschichte, die das LWL-Industriemuseum am Beispiel des Schachts Hercules (1839) aufarbeitet. Hier erreichte Nachtigall die größte Teufe – stolze 450 Meter. Der später mit einem Ziegelringofen überbaute Schacht beherbergt heute die Ausstellung "Der Weg in die Tiefe".

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Die Dampffördermaschine wird regelmäßig vorgeführt.

Unter Dampf

Erst Dampfmaschinen machten den Abbau von Kohle auch unterhalb des Wasserspiegels möglich. Und auch hier setzte Nachtigall Signale – und nutzte ab 1857 die damals stärkste Dampfmaschine im Ruhrbergbau. Die Ausstellung „Weg ins Industriezeitalter“ spürt dieser Phase nach. Die von Prosper Haniel stammende Dampffördermaschine (1887) wird regelmäßig vorgeführt.

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Ausstellung auf Nachtigall in Witten.

Ziegelei

Nach Schließung der Zeche ließ Wilhelm Dünkelberg die meisten Gebäude abreißen und Ringöfen für eine Dampfziegelei bauen, die 1897 den Betrieb aufnahm. Aus den nahen Steinbrüchen konnte der Unternehmer Sandstein und Schieferton gewinnen. Eine eigene Ausstellung im Ringofen blickt zurück auf diesen Teil der Geschichte Nachtigalls. Das Ende der Ziegelei 1963 läutete den Verfall der Anlage ein.

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Zeche Nachtigall Witten

zeche-nachtigall@lwl.org
+49 (2302) 936640
Nachtigallstraße 35, 58452 Witten

Bergbaurundweg Muttental

Kleinzechen prägten einst die Landschaft des Muttentals und das Gebiet um den Hettberg. Heute hat sich die Natur vieles zurückerobert, doch die Vergangenheit hat ihre Spuren hinterlassen. Relikte wie Pingen, Stollenmundlöcher, Zechengebäude und Halden erinnern noch heute an die Ursprungszeit des Ruhrbergbaus. Der Bergbaurundweg Muttental verbindet auf rund neun Kilometern 50 bergbaugeschichtliche Stationen, darunter Nachtigall, das Bethaus der Bergleute und das Gruben- und Feldbahnmuseum auf der Zeche Theresia.

Bethaus der Bergleute

1830 wurde das Bethaus der Bergleute als Versammlungsstätte der Kumpel aus den Zechen des Muttentals errichtet. Als letztes seiner Art im Ruhrgebiet bietet das Haus Besuchern heute die Möglichkeit, unter Anleitung nach alter Tradition zu schmieden. Im Rahmen geführter Touren bietet Stadtmarketing Witten dort zudem eine traditionelle Knappenschlagung an. Im Zechenhaus Herberholz, ebenfalls Station des Bergbaurundweges, unterhält der Förderverein Bergbauhistorischer Stätten Ruhrrevier ein Museum.

Zechenhaus Herberholz
Stadtmarketing Witten

Reportage im Wandermagazin

Das Wandermagazin widmete sich 2018 in einem Schwerpunktbericht dem Ruhrgebiet und der Route Industriekultur. Die mehrseitige Reportage stellt neben den Halden Rheinelbe und Haniel vor allem das Muttental und die Geschichte des Ruhrbergbaus in Wort und Bild vor. Die komplette Reportage kann hier als PDF geladen werden:

Reportage Wandermagazin

Kleinzechen

Bauern machten den Anfang: Sie gruben im Muttental für den Eigenbedarf nach Kohle. Und auch der systematische Abbau des schwarzen Goldes vollzog sich zunächst in kleinen Schritten, genauer: in Kleinbetrieben mit je drei bis sechs Mann Belegschaft. Die Bergleute hielten zur Selbstversorgung Kleinvieh und bauten Gemüse und Obst an. Pflaumen wurden zu Dörrobst getrocknet, was den Arbeitern den Beinamen "Prumenkötter" einbrachte. Auch auf Nachtigall standen Mitte des 18. Jahrhunderts maximal acht Bergleute in Arbeit. In Hochzeiten sollten es bis zu 500 Männer werden; mit 100.000 Tonnen war 1878 der Höhepunkt der Förderung erreicht. Zehn Jahre vor der Schließung waren auf Nachtigall gerade noch 295 Kumpel im Einsatz.

Nachlesebergbau

In Zeiten der Not bedeutete jedes Stück Kohle Wärme. Und so flammte im Zuge des Ersten Weltkrieges in einigen Gruben und Stollen im Muttental der Kohlenabbau wieder auf. Allerdings nur, um schon in den 1920er-Jahren aufgrund der Weltwirtschaftskrise wieder eingestellt zu werden. Als letzte Tiefbauzeche in der Region Witten beendete 1928 die Zeche Herrmann die Produktion. Im Nachlesebergbau von 1934 bis 1955 wurden bedingt durch den Zweiten Weltkrieg wiederum Reste der Kohlenvorkommen in den Nachtigallstollen gefördert. Durch die Stabilisierung der deutschen Wirtschaft im Zuge des Wirtschaftswunders erlosch der Abbau im Muttental jedoch schließlich vollständig; nur die benachbarte Kleinzeche „Egbert” förderte noch bis 1973.

"Zeche Eimerweise"

An die Kleinzechen des Ruhrgebiets erinnert die Ausstellung "Zeche Eimerweise" des LWL-Industriemuseums Zeche Nachtigall: Entstanden in der Not der Nachkriegsjahre, waren von 1945 bis 1976 über 1.000 Klein- und Kleinstzechen zwischen Dortmund und Essen in Betrieb, viele davon in Witten. In Fotos, Dokumenten und Zeitzeugenberichten veranschaulicht die Ausstellung die Betriebsweise dieser Kleinbetriebe und gibt einen Einblick in die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bergleute und Unternehmer.

Ausstellung "Zeche Eimerweise"

Ruhrschifffahrt

Einer der wichtigsten Transportwege für die Zeche Nachtigall war der nahe Fluss. Schon 1780 ist die Ruhr durchgängig von Herdecke bis zum Rhein schiffbar - zuvor erfolgte der Kohlentransport auch über längere Distanzen noch mit Schubkarren und Pferden. Fortan transportierten Aaken die Steinkohle in die überregionalen Absatzgebiete. Das LWL-Industriemuseum spürt diesen wichtigen Handelswegen in seiner Dauerausstellung nach. Eines der wichtigsten Ausstellungsstücke ist der rekonstruierte Ruhrnache "Ludwig Lenz". Das 35 Meter lange Schiff ist das beeindruckende Ergebnis einer Qualifizierungsmaßnahme für arbeitslose Jugendliche. 2002 fertiggestellt macht es die Kohlenschifffahrt zwischen Witten und Ruhrort erlebbar.

Muttenthalbahn

Es waren die Eisenbahnen, die der Ruhrschifffahrt nach und nach den Rang als ideale Transportmöglichkeit abliefen. Bereits 1829 wurde die sechs Kilometer lange Muttenthalbahn zum Kohlentransport mit Pferdeantrieb gebaut. Sie führte südwärts zur Straße und zum dortigen Lagerplatz für Kohlen, von wo es weiter nach Wuppertal, ins Bergische Land sowie ins Siegerland zur Versorgung der Eisenhütten ging. Nach Norden führte die Schienenbahn zur Kohlenniederlage an der Ruhr. Die Nachtigallbrücke über die Ruhr verband die Zeche ab 1849 mit der Bahnstation Witten-West. Der Anschluss lag an der Bergisch-Märkischen-Eisenbahn, die ein Jahr zuvor eröffnet worden war. Weitere Erleichterung brachte ab 1874 eine Bahntrasse durchs Ruhrtal.

Gruben- und Feldbahnmuseum Zeche Theresia

Wie bescheiden der Beginn des Schienenverkehrs im Muttental war, belegt die Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft Muttenthalbahn, die seit 1989 auf dem Gelände der 1892 stillgelegten Zeche Theresia das Gruben- und Feldbahnmuseum betreibt. Ausgestellt werden rund 90 Lokomotiven und etwa 200 Waggons; thematisiert werden sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart der Gruben- und Feldbahnen. Fahrbetrieb findet zu Veranstaltungen sowie in der Regel einmal im Monat sonntags zwischen Nachtigall und dem Feldbahnmuseum statt.

Muttenthalbahn

Menschen und Macher: Freiherr von Elverfeldt, Friedrich Harkort, Wilhelm Dünkelberg

Die Herren von Elverfeldt

140 Reichstaler investierte 1743 Freiherr Friedrich Christian Theodor von Elverfeldt (1699-1781) in den Kauf der Kohlenbank "Hettberger Holtz". Gut angelegtes Geld, das auch seine Nachfahren für lange Zeit an den Steinkohlen-Bergbau binden sollte - das allerdings nicht immer erfolgreich. Levin von Elverfeldt (1762-1830) konnte sich zwar Anteile von 39 Zechen an der Ruhr sichern, der erhoffte finanzielle Gewinn jedoch stellte sich nicht ein. Es war Ludwig von Elverfeldt (1793-1873), der ab 1825 Technik und Transport gewinnbringend umstrukturieren konnte. Stammsitz der Herren von Elverfeldt war bis Mitte des 18. Jahrhunderts Haus Herbede in Witten.

Friedrich Harkort.
Friedrich Harkort. © montan.dok

Friedrich Harkort

Er gilt vielen als "Vater des Ruhrgebiets": Friedrich Wilhelm Harkort, 1793 geboren, war ein Industriepionier. Der gelernte Kaufmann gründete 1819 gemeinsam mit dem Bankier Johann Heinrich Daniel Kamp in Wetter die "Mechanischen Werkstätten", die sich auf die Herstellung von Dampf- und Textilmaschinen und ab 1825 auch auf den Eisenbahnbau, insbesondere von Kohlenbahnen, spezialisierte. Entwicklungen, die den Kohlenabbau im Tiefbauverfahren erst ermöglichten. Harkort starb 1880 in Hombruch.

Friedrich Wilhelm Dünkelberg

1892 wurde der unter den Flözen liegende Schieferton wirtschaftlich interessant. Friedrich Wilhelm Dünkelberg (1854-1933) erwarb die Zeche und ließ zwischen 1897 und 1899 eine hochmoderne Doppel-Ringofenanlage bauen. Bald schon wurden auf Nachtigall wöchentlich rund 115.000 Ziegel gebrannt. Der direkte Anschluss an die Ruhrtalbahn und die Tatsache, dass Dünkelberg zugleich Vorsitzender der Baugenossenschaft Eigenheim-, Bau- und Spargemeinschaft war, sorgten für regen Absatz. Die von ihm konstruierte Ziegelpresse fand gar Absatz bis nach China. Die Ziegelei bestand bis 1963; ein eigener Abschnitt der Dauerausstellung beleuchtet auch diese Schaffensphase.