Umspannwerk Recklinghausen
Ein Museum unter Strom
"Elektrizität in jedem Gerät". Was vor 90 Jahren als ambitioniertes Werbeversprechen galt, ist heute längst Lebensalltag. Die rasante Geschichte dazu erläutert das Museum Strom und Leben im denkmalgeschützten Umspannwerk Recklinghausen. Und das nicht allein in Wort und Bild, sondern auf über 2.500 Quadratmetern vor allem über besondere Objekte zum Anfassen und Ausprobieren sowie durch Veranstaltungsformate, die im wahren Wortsinn "unter Strom stehen". Ein außergewöhnliches Konzept für ein Denkmal, das Lernort sein will und nach wie vor Betriebsstätte ist. Bei seiner Eröffnung 1928 lobten die Medien das Haus als "Meisterwerk zeitgemäßer Baukunst".
Neue Sachlichkeit
"Ein Meisterwerk zeitgemäßer Baukunst" titelte 1928 die Recklinghäuser Zeitung zur Eröffnung des nach Plänen Carl Lills gebauten Umspannwerkes. Insgesamt entstanden sechs Gebäude, deren Bauweise damaligen Vorstellungen moderner Industriearchitektur entsprach: Der Baukörper selbst machte die Systematik der Arbeitsabläufe erkennbar. Heute steht das Ensemble aus der Zeit der Neuen Sachlichkeit unter Denkmalschutz.
Strom für die Industrieregion
Im ausgehenden 19. Jahrhundert spielte Elektrizität in der Emscherzone noch kaum eine Rolle. Weiter südlich, im Ruhrgebiet, jedoch hielt sie gerade Einzug: Seit 1893 fuhr in Essen die Straßenbahn, von den Bewohnern nur "Elektrische" genannt; 1897 ging in Dortmund das erste städtische Elektrizitätswerk Westfalens ans Netz. Die rasch wachsende Industrie des Ruhrgebiets war der Hauptabnehmer des Stroms. Immer mehr Betriebe stellten im fortschreitenden 20. Jahrhundert ihre Anlagen auf Elektrizität um und betrieben Fördermaschinen, Grubengeleucht, Grubenloks und auch die Gebläse für die Hochöfen der Eisenhütten elektrisch. Eine flächendeckende Verteilung des Stroms war bald aufgrund steigender Nachfrage unumgänglich. Die in mehreren Groß-Dampfkraftwerken erzeugte Elektrizität wurde zur Verteilung deshalb in Umspannstationen auf eine geringere Verteilungsspannung heruntertransformiert und dann an Ortsnetzstationen weitergeleitet.
Einmalige Nutzungskombination
Auch in Recklinghausen hat die Elektrifizierung eine beeindruckende Spur hinterlassen. Wie ein Stadttor markiert seit 1928 ein auffälliger Gebäudekomplex die südliche Grenze der Stadt: das Umspannwerk der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW). Die zentrale Lage zwischen zwei Großstädten war ein wichtiges Plus des Standorts. Luftverschmutzung sowie hohe Luftfeuchtigkeit bedingt durch die Nähe zur Emscher machten - abweichend vom technischen Standard der Zeit - eine geschlossene Umbauung der elektrischen Anlagen unumgänglich. Nach diversen Umbauten wurde zwischen 1991 und 1994 die historische Gebäudesubstanz wieder hergestellt und eine moderne 110-kv-Anlage eingebaut.
Das Umspannwerk verrichtet seine Arbeit wie eh und je und überzeugt als Ankerpunkt durch die einmalige Kombination aus Baudenkmal, aktiver Betriebsstätte und Museum.
Elektrifizierung und Industrialisierung
Auf 1.800 Quadratmetern macht das Deutsche Elektrizitätsmuseum "Zeitreise Strom" die Geschichte der Elektrizität lebendig. Erzählt wird diese Geschichte unter anderem von einer Dampfmaschine, historischen Elektrofahrzeugen, einer riesigen Plasmakugel, einem Kino und einer 100 Jahre alten Straßenbahn. Über spielerische Experimente, aber auch "historische" Videospiele wie "Tetris" und "Pacman" wird das Hands-on-Konzept umgesetzt, das über Ausprobieren und Anfassen das Phänomen "Strom" erfahrbar macht. Führungen, Ausstellungen, Workshops und regelmäßige Sonderveranstaltungen komplettieren das Angebot des Museums. Das Umspannwerk Recklinghausen ist zudem ein gefragter Spielort der ExtraSchicht.
Das Umspannwerk Recklinghausen ist Standort folgender Themenrouten:
Tipps für Ihren Besuch
Umspannwerk Recklinghausen
info@umspannwerk-recklinghausen.de
+49 (2361) 9842216
Uferstraße 2-4, 45663 Recklinghausen
Menschen und Macher: Hugo Stinnes
Menschen und Macher: Hugo Stinnes
Hugo Stinnes
Er war ein Enkel des Firmengründers Mathias Stinnes, und er war derjenige, der den Namen Stinnes weltberühmt machen sollte: der Industrielle und Politiker Hugo Stinnes (1870-1924). Unzufrieden mit der Arbeit seines Vetters Gerhard Küchen im Familienunternehmen, der Mathias Stinnes KG, gründete er 1892 kurzerhand seine eigene Firma, die er zielstrebig zu einem international agierenden Konzern ausbaute. Dabei konzentrierte er sich zunächst auf bewährte Geschäftsbereiche: Kohle, Stahl und Schiffe. Schon 1904 galt er als Multimillionär.
Zwei Jahre zuvor hatte er gemeinsam mit August Thyssen die Mehrheit an der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk AG (RWE) erworben, wo er seit Gründung im Jahr 1898 im Aufsichtsrat saß. In der Folge sicherte sich Stinnes gezielt Nahverkehrs- und Eisenbahnunternehmen und schloss lukrative Stromlieferverträge ab. Eine Geschäftsstrategie, die letztlich entscheidend zur Elektrifizierung der Region beitrug - jedoch nicht überall auf Gegenliebe stieß: Die VEW wurden 1906 gegründet, um der Expansion von Stinnes' RWE entgegenzuwirken.