Jubiläum im Umspannwerk Recklinghausen

20 Jahre Museum Strom und Leben

Das Umspannwerk Recklinghausen - Museum Strom und Leben feiert seinen 20. Geburtstag: Am 10. Dezember 2000 öffnete Deutschlands größtes Elektrizitätsmuseum seine Türen. Heute ist es Veranstaltungsort für Workshops und Wechselausstellungen sowie wichtiger Lernort für jährlich 130 Schulklassen. Insgesamt 440.000 Interessierte haben das Museum Strom und Leben seit seiner Gründung besucht. Erst 2019 verzeichnete es mit 32.500 Besuchern einen neuen Rekord. Wir haben Hanswalter Dobbelmann, einen der beiden Museumsleiter, zum Jubiläum befragt.

Gratulation mit Geschenk

Die Feierstunde zum runden Geburtstag musste Corona-bedingt entfallen. Doch Katherina Reiche, Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG und damit des wichtigsten Partners des Museums, und Christoph Tesche, Bürgermeister der Stadt Recklinghausen, ließen es sich nicht nehmen, den Museumsleitern Sabine Oetzel und Hanswalter Dobbelmann ein Miniaturmodell der Ortsnetzstation "Erlbruch" zu überreichen. Das Original, das schräg gegenüber dem Rathaus steht, wird künstlerisch mit Impressionen des Museums gestaltet.

Die Straßenbahn in ihrer endgültigen Positionierung; das Gebäude wurde drumherum errichtet.
Die Straßenbahn in ihrer endgültigen Positionierung; das Gebäude wurde um die Bahn herum errichtet. © Museum Strom und Leben

Wie kommt die Straßenbahn ins Museum?

Herr Dobbelmann, vor genau 20 Jahren eröffnete Deutschlands größtes Elektrizitätsmuseum im Umspannwerk Recklinghausen seine Türen für Besucher. Wie kam es damals dazu?
Die Anfänge des Museums liegen eigentlich schon im Jahr 1927/1928, im Bau der umhausten Umspannanlage, denn ohne diesen historischen Kern gäbe es das Museum zumindest hier an diesem Standort nicht. Als zweiter, zeitlich etwas näher liegender Umstand kam dann hinzu, dass sich der Betreiber der Anlage, die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen, im Jahr 2000 anlässlich ihres 75-jährigen Bestehens mit einem Museum zur Elektrizitätsgeschichte selbst beschenkt hat. Was damals für den Standort Recklinghausen sprach, war zum einen die Tatsache, dass die noch stehenden Gebäude der Umspannanlage bereits unter Denkmalschutz gestellt waren und zum anderen der Umstand, dass es an der Stelle der abgerissenen Transformatorenhalle einen freien Bauplatz gab, mit dem es möglich wurde, die historische Gebäudesubstanz und den Museumsneubau zusammenzubringen.

Das Umspannwerk ist eine Kombination aus Industriedenkmal, moderner Betriebsstätte und Museum. Wie bekommt man all das unter einen Hut bzw. unter ein Dach?
Erstaunlich gut, kann ich dazu nur sagen. Die Kombination ist ja auch besonders ungewöhnlich, denn es gibt nur wenige Orte, die zeitgleich museal und in Betrieb befindlich sind. Das macht sicher auch einen Teil des Reizes unseres Museums aus, genauso wie die Architektur der über 90 Jahre alten Gebäude ihren Teil dazu beiträgt. Ein Museum an solch einem authentischen Ort ist schon etwas Besonderes. Allerdings ist die "Multifunktionalität" auch herausfordernd. Denn die Umspannanlage ist natürlich nicht dafür gebaut worden, Museum zu sein, das heißt, wir mussten und müssen bei der Nutzung des Hauses stets auch im Auge behalten, was möglich ist. Um hier ein Beispiel zu nennen: Es gibt in den Altbaubereichen natürlich keine museumsgerechte Klimatisierung, deshalb müssen wir immer schauen, ob die Objekte, die wir dort ausstellen, unter den vorhandenen Bedingungen nicht leiden würden.

Woher stammen die Exponate, die im Museum zu sehen sind? Und wonach wählen Sie aus?
Der Kern eines jeden Museums ist seine Sammlung. So ist es auch beim Museum Strom und Leben. Ein Teil der Sammlung war bei der Einrichtung des Museums Ende der 1990er-Jahre bereits vorhanden, musste von uns aber erst aus quasi ganz Westfalen zusammengetragen und dann teilweise auch noch inventarisiert werden. Allerdings ist unser Bestand seit der Eröffnung deutlich gewachsen. Einerseits, weil wir weiter "aktiv" gesammelt haben, d.h. wir haben Objekte angekauft und Sammlungen, die uns angeboten wurden, übernommen. Andererseits spielte und spielt auch das "passive" Sammeln für uns eine wichtige Rolle. Damit meine ich die zahllosen Objekte, die uns seit der Eröffnung von privater Seite angeboten wurden und von denen sich manche als gute Ergänzung unserer Sammlung erwiesen haben. Natürlich nehmen wir nicht jedes angebotene Stück, nur weil "ein Stecker dran ist", an. Wir haben Sammlungsschwerpunkte, dazu gehört zum Beispiel die Elektrizitätswerbung – hier dürften wir einen der besten Bestände haben, die es im deutschsprachigen Raum gibt – oder auch die Haushaltselektrik. Andere Dinge, z.B. Computer, sammeln wir dagegen nicht. Die Sammlungsschwerpunkte haben sich danach ergeben, was damals, 1998, schon vorhanden war. Zudem schauen wir, in welchen Bereichen eventuell andere Museen gute Sammlungen und Expertise haben – um beim Beispiel Computer zu bleiben, das Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn –, so dass wir hier keine "Parallelüberlieferung" mehr aufbauen müssen.

Die Exponate sind ja sehr unterschiedlich - auch in der Größe. Wie kriegt man eigentlich eine Straßenbahn in ein Museum?
Im günstigsten Fall: Türen auf und reinschieben. Bei uns hat sich das allerdings weniger einfach dargestellt. Denn unsere Straßenbahn passt nicht durch unsere Türen. Also sind wir quasi den umgekehrten Weg gegangen. Wir haben nicht die Straßenbahn ins Museum eingebaut, sondern das Museum um die Straßenbahn herum errichtet. Das heißt konkret: Nach Fertigstellung der Fundamente wurden die Straßenbahn und auch die Dampfturbine in das Museumsfundament gesetzt, bevor dann um die Objekte drumherum weitergebaut wurde. Zu ihrem Schutz wurden beide Objekte in große Holzverschläge verpackt, die erst nach der Fertigstellung des Gebäudes entfernt wurden. Auch mit der Restaurierung und Konservierung der beiden Großexponate haben wir erst zu diesem Zeitpunkt begonnen.

Wird die Ausstellung regelmäßig erweitert? Kommen neue Exponate hinzu?
Elektrizität hat nicht nur eine Geschichte, sondern auch eine Zukunft. Daran, diese Zukunft ins Museum zu holen, arbeiten wir gerade sehr intensiv. Dafür werden wir rund 20 Prozent unserer Museumsflächen umgestalten und dort dann die Zukunft der Elektrizität mit den Themenfeldern Mobilität, Netze, Energie und Mensch-Maschine darstellen. Es hört sich möglicherweise etwas merkwürdig an, dass wir Zukunft im Museum zeigen wollen, das klassischerweise ja eher Ort des "Gewesenen" ist. Aber das geht. Und was eine Glaskugel, fliegende Autos und ein Tricorder damit zu tun haben, dass können unsere Besucher dann ab September bei uns sehen.

Wie genau geht es 2021 nach einem für alle Veranstalter und Museen harten, von Corona geprägten Jahr weiter mit dem Museum Strom und Leben?
2020 ist tatsächlich nicht so gelaufen, wie wir uns das für ein Jubiläumsjahr vorgestellt haben. Da wir unser Haus weitestgehend aus den Erlösen des Museumsbetriebs finanzieren, haben uns die Schließungsphasen wirtschaftlich sehr getroffen. Ganz zu schweigen davon, dass wir 2020 gerade mal die Besucherzahl des ersten Betriebsjahres 2001 und damit nur 44 Prozent der 2019er Zahlen erreicht haben. Wir hoffen natürlich darauf, dass sich die Situation im Verlauf des kommenden Jahres wieder normalisiert, ansonsten stehen wir dann möglicherweise vor schwerwiegenden Problemen. Allerdings haben wir in den vergangenen 20 Jahren schon vor so mancher Hürde gestanden und haben letztlich alle überwunden. Das macht uns auch für das kommende Jahr optimistisch. Zumal 2021 für das Museum ein Jahr der Veränderungen werden wird, auf die wir uns sehr freuen und von denen wir hoffen, dass sie noch mehr Menschen dazu motivieren werden, bei uns auf eine Zeitreise durch die Elektrizitätsgeschichte zu gehen.

Das Umspannwerk Recklinghausen ist ein Ankerpunkt auf der Route Industriekultur.