Impulse. Baukunst der Industriekultur

Dauerausstellung im Baukunstarchiv NRW

"Impulse. Baukunst der Industriekultur" ist der Titel der neuen Dauerausstellung im Baukunstarchiv NRW in Dortmund. Als Kooperationsprojekt mit dem Referat Industriekultur des Regionalverbands Ruhr (RVR) spürt sie den wechselseitigen Beeinflussungen von Architektur und Industrie seit Mitte des 19. Jahrhunderts nach. Ein Interview mit den beiden Kuratoren der Ausstellung.

Themenroute 6

Das Baukunstarchiv NRW ist im ehemaligen Museum am Ostwall in Dortmund angesiedelt, das ursprünglich als Oberbergamt errichtet worden war, und ein Standort auf der Themenroute 6 "Dortmund: Dreiklang Kohle, Stahl, Bier".

Themenroute 6

Ruth Hanisch.
Ruth Hanisch. © Baukunstarchiv NRW
Wolfgang Sonne.
Wolfgang Sonne. © Baukunstarchiv NRW

„Alleinstellungsmerkmal für die Metropole Ruhr“

Im Interview erläutern die Kuratoren der Ausstellung, Dr. Ruth Hanisch und Prof. Dr. Wolfgang Sonne (TU Dortmund), Details zu dem Kooperationsprojekt mit dem Regionalverband Ruhr.

Die zentrale Aussage der neuen Dauerausstellung ist evident: Die industrielle Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat die Architektur der Region beeinflusst. Wie genau und in welchen Bereichen?
Ohne die industrielle Entwicklung hätte es kein Bevölkerungswachstum gegeben - und somit auch keine Großstädte im Ruhrgebiet. Die Industrie hat hier also das gesamte Bauen beeinflusst - von der Industrieanlage bis zur Kirche, von der Arbeitersiedlung bis zu Rathaus, Theater und Sportanlage inklusive der Vernetzung der gesamten Region.

Ist dieses Verhältnis ein wechselseitiges? Anders gefragt: Hatte die Architektur als solche auch Einfluss auf sich entwickelnde industrielle Abläufe und Produktionsweisen?
Die Impulse kamen von beiden Seiten: Die Industrie erforderte das vielfache Bauen, die Architektur auch im großen Maßstab eine - wenn man so will - "realistische“ moderne Architektur: nicht klinisch weiß, sondern in alltagsfähigem Backstein zum Beispiel. Die Architektur und das Bauingenieurwesen wiederum schufen die Räume für die Produktionsabläufe, die Verkehre, die Schächte - und eben auch die Stadträume, in denen die Menschen lebten und leben.

Gab es hier so etwas wie Konkurrenzdenken zwischen den wachsenden Städten, aber auch zwischen Unternehmen?
Selbstverständlich: Die Unternehmen trumpften mit prächtigen Verwaltungsbauten wie dem Dortmunder Union-Verwaltungsgebäude auf, oder sie schufen ihre Industrieanlagen als monumentale Kompositionen wie bei der Zeche Zollverein. Und die Städte bauten nacheinander herrschaftliche Rathäuser mit repräsentativen Plätzen, die ihren realen oder erhofften neuen Rang manifestieren sollten - von Essen bis Duisburg oder Oberhausen bis Buer.

Wie findet sich all dies in der neuen Dauerausstellung wieder?
Wir haben 24 typische Bauaufgaben ausgewählt, die jeweils mit einem markanten Beispiel vorgestellt werden, damit es keine Daten- und Materialschlacht wird. Jedes Bauwerk wird mit einem neu gebauten Modell, einer aktuellen Fotografie von Matthias Koch, ausgewählten historischen Plänen und Ansichten sowie kurzen Texten präsentiert.

Anhand welcher Kriterien wurden die Orte ausgewählt, und wie werden sie im Umgang des Baukunstarchivs NRW präsentiert?
Jedes Bauwerk sollte besonders exemplarisch für die jeweilige Bauaufgabe sein. Dann spielten natürlich auch die architektonische Qualität sowie die Verteilung im ganzen Ruhrgebiet eine Rolle. Jeder Bau wird in einem extra entworfenen Rahmen präsentiert, sodass sich im oberen Umgang der Eindruck einer Gemäldegalerie ergibt. Vieles mehr hätten wir gerne gezeigt - doch das können sich die Besucherinnen und Besucher dann in der Realität anschauen, wozu die Ausstellung am Schluss mit Zetteln zum Mitnehmen anregt.

Welchen Stellenwert hat industrielle Architektur heute für die Region?
Die Industriekultur ist ein ganz zentrales Thema gerade auch für die Zukunftsperspektive der Region, weil sie ein Alleinstellungsmerkmal bildet. Zur Baukunst der Industriekultur zählt aber eben nicht nur die Industriearchitektur, sondern auch die Großstadtarchitektur der Innenstädte. Und im Industriezeitalter war auch die großartige mittelalterliche Vergangenheit der Region ein Identifikationspunkt, wie es etwa die Renovierung des Dortmunder Rathauses um 1900 zeigte. Diese markanten Prägungen bieten die Chance für eine einzigartige, charakteristische und ortstypische Weiterentwicklung der Metropole Ruhr.

Baukunstarchiv NRW
Industriekultur im Baukunstarchiv NRW
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